Tod am Nord-Ostseekanal
Anja Marschall

Emons Verlag Köln

Taschenbuch

ISBN 978-3-9545-1978-1

11,90 € [D], SFr. 0,– [CH], 12,30 € [A]
Brunsbüttel 1894: Als sich ein tödlicher Unfall auf der Baustelle des Nord-Ostsee-Kanals ereignet, wird Kriminalinspektor Hauke Sötje an die Elbe geschickt, um den Vorfall zu untersuchen. War es ein Unfall oder gar Sabotage am prestigeträchtigsten Bauprojekt der Welt, das schon bald von Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich eröffnet
werden soll? Ein Attentäter und die hübsche Tochter des Unternehmers Jennings verwickeln Sötje in einen Fall, der nicht nur das Leben Wilhelms II., sondern das gesamte junge Kaiserreich bedroht.
Anja Marschall

Anja Marschall

Gebürtige Hamburgerin, lebt im nördlichsten Bundesland von Dtl. Kurzgeschichten erscheinen seit 2009, drei Jahre später folgte der erste Krimi. Danach mehrere Krimis und Romane in verschiedenen deutschen Verlagen, darunter Emons, Lübbe, Piper, Harper Collins. Außerdem Übersetzungen vikt. Krimiklassiker von M. E. Braddon (1860). Im normalen Leben ist/war sie Journalistin, Erzieherin, Projektmanagerin in der Forschung, Apfelpflückerin in Israel sowie Zimmermädchen in einem Fünf-Sternehotel in London. A. Marschall ist Mitglied im Syndikat und bei den Mörderischen Schwestern, denen sie als Vizepräsidenten lange Zeit vorstand.

Vertreten durch die Agentur Lesen & Hören, Anna Mechler, Berlin

Empfehlung der Woche

Tod am Nord-Ostseekanal ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 26. Juni 2017.

Kritikerstimmen

Der Autorin ist ein grandioser historischer Krimi gelungen, der auf allen Ebenen begeistert.
Szene Lübeck, 13. Dezember 2016

Selten habe ich so einen guten historischen Roman gelesen, der mich von Anfang bis zum Ende gefesselt hat.
Histo-Couch, 3. November 2016

Fesselnd, lehrreich und authentisch. Ein seltener Lesegenuss in unserer Zeit.
Norddeutsche Rundschau, 12. Oktober 2016

[…] akribische journalistische Recherche mit einem packenden erzählerischen Schreibstil. Die historischen Fakten fließen geräuschlos in die Handlung ein und wirken niemals belehrend. Ein unterhaltsamer Krimi vor überzeugender historischer Kulisse.
Magazin Heimatbund, 10. Oktober 2016

Vier Fragen an Anja Marschall

Wann begann Ihre kriminelle Laufbahn?
Ich las da dieses Buch. Es war langweilig, so richtig, richtig langweilig. Aber in der Presse und im Buchhandel der Bestseller. Bei einem Glas Wein regte ich mich in Gegenwart meiner Freunde über das Buch und den Buchmarkt und das Feuilleton im Allgemeinen ziemlich auf, und eine Freundin meinte: Dann mach´s besser. Tscha, und jetzt schreibe ich an meinem achten Buch. Und wundere mich noch immer.

Wie viele Verbrechen gehen auf Ihr Konto?
In der Öffentlichkeit? Derzeit so um die, ähm, vierzig inklusive Kurzgeschichten. Können aber auch mehr sein. In meiner Schublade liegen die Ideen für weitere Morde.

Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Ich kann nicht anders. Es ist in mir drin. Die Gesellschaft kann sich freuen, dass ich mein Coming-out erst so spät hatte. Sonst wären es noch viel mehr Leichen gewesen.

Was ist Ihre Lieblingstatwaffe?
Der Kopf. Ich mag keine Kettensägen und Hackebeilchen. Ich mag es, wenn der Mörder die Dinge aus einem überraschenden Grund heraus tut. Serienkiller sind mir zu langweilig. Ich möchte den Leser genau dann erwischen, wenn er es am wenigsten erwartet.

Leseprobe

Prolog

Weiß stand der Mond am Himmel. Sein Spiegelbild glänzte im schwarzen Wasser einer Pfütze, als das hölzerne Rad der Schubkarre sein ebenmäßiges Abbild durchschnitt und es bis zur Unkenntlichkeit verzerrte.
Ein Arm hing schlaff über den Rand der Karre. Die Fingerspitzen der bleichen Hand scheuerten über den nassen Erdboden, durchfurchten das schmutzige Wasser der Lache.
Nicht weit entfernt ragten stählerne Skelette wie mahnende Finger in den nächtlichen Himmel. Ihre scharfen Schatten klebten totengleich unten im leeren Kanalbett, während an seinem Rand eine Gestalt ihre Fracht entlangschob. Schon waren die beiden Schleusenkammern zu sehen, die still und verwaist am Ende von Europas größter Baustelle lagen.
Vorsichtig wurde die Karre zur Kante des Kais geschoben. Hier führte ein schmaler Steg auf eines der eisernen Schleusentore. Das vordere Rad vorsichtig auf den Steg schiebend, balancierte die Gestalt den leblosen Körper über dem meterhohen Abgrund. Das fahle Licht des Mondes reichte nicht bis in die Tiefe der Schleusenkammer. Die Tore warfen ihren Schatten in eine undurchdringliche schwarze Leere hinein. Bleierne Stille lag in der Luft.
Die Griffe der Karre wurden hochgehievt. Langsam rutschte das Gewicht Zentimeter für Zentimeter nach vorne. Schon hingen die Beine über dem Abgrund. Dann stürzte der Körper in die Tiefe.
»Ratte!«, zischte eine Stimme.

1. Kapitel


Altona. Es fand am Freitag im »Englischen Garten« zu Altona eine von der sozialdemokratischen Partei berufene Waffen-Protestversammlung statt. Ungefähr 8000 Personen füllten die Säle und Korridore des Lokals in geradezu beängstigender Weise.

Originalauszug: Neue Kieler Zeitung, 1894


Kiel, 1894: Seit den Morgenstunden sank grauer Nieselregen auf den Marktplatz herab. Mit schwarzen Schirmen über den Köpfen eilten die Leute an dem Mann vorbei, der unauffällig neben der Litfaßsäule nahe dem Rathaus stand und den Platz beobachtete. Die kalten Hände tief in den Hosentaschen vergraben, blickte Kriminalhilfssergeant Hauke Sötje hinüber zur Rüdelschen Hofapotheke. Dort fegte ein Gehilfe grimmig den Gehweg. Neben der Apotheke lag Schmielaus Haushaltswarenladen, aus dem in diesem Moment eine dicke Matrone mit ihrer jungen Dienstmagd trat. Das Mädchen verschwand nahezu unter den in Packpapier gewickelten Schachteln und Kästen. Sie stiegen in eine wartende Kutsche, die kurz darauf über das Kopfsteinpflaster rumpelte.
Hauke bemerkte eine Gruppe Offiziere der kaiserlichen Marine in ihren schwarzen Uniformen, die soeben aus der Weinstube Jordan herauskam. Offenbar in bester Stimmung schauten die Herren zum grauen Himmel hinauf. Leicht schwankend stellten sie sich mitten auf den Gehsteig und überlegten lautstark, wo sie denn als Nächstes einkehren könnten. Sie scherten sich nicht um die Leute, die ihretwegen auf dem Weg ausweichen mussten. Ein älterer Herr mit Zylinder und Gehstock warf ihnen im Vorbeigehen einen verärgerten Blick zu. Kiel war einer der beiden kaiserlichen Reichskriegshäfen. Wer der Marine diente, hatte gewisse Privilegien, die anderen vorenthalten blieben. Schlechtes Benehmen schien dazuzugehören.
Ein Pferdeomnibus rollte aus der Flämischen Straße heraus. Er hielt am fünfarmigen Kandelaber vor dem Rathaus. Drei Frauen und ein Mann entstiegen dem Gefährt. Eine Mutter mit Kind auf dem Arm wiederum stieg ein. Der Omnibuskutscher kassierte von ihr das Fahrgeld. Dann griff er zu der kleinen Glocke, die daraufhin zu bimmeln begann. Nun setzte sich der Klepper gemächlich in Bewegung, hin zur nächsten Haltestelle.
Hauke schlug den Kragen seines Mantels hoch. Sein Magen knurrte. Er hatte seit den frühen Morgenstunden nichts mehr gegessen. Und nun war es Nachmittag. Doch der Befehl war eindeutig: Er durfte seinen Posten nicht unerlaubt verlassen, sondern hatte die Observierung des Marktes aufrechtzuerhalten, bis er abgelöst wurde oder man ihn ins Kommissariat am Martensdamm zurückbefehligte. Und so folgte Haukes Aufmerksamkeit den Offizieren, die sich lachend zum Hafen aufmachten.