The truth behind your lies
Silke Heimes

Ueberreuter Verlag, Kinder- und Jugendbuch

Broschur

ISBN 978-3-7641-7134-6
1. Auflage

18,– € [D], 18,50 € [A]
Nach dem Abi fahren Flo, Jens, Emmy, Rod und Ann in die Schweizer Berge und verbringen dort einige gemeinsame Tage. Die Hütte dafür hat ihnen Außenseiter Jan organisiert. Hätten die Freunde das Angebot mal lieber nicht angenommen, denn er hat einen gefährlichen Plan: Das perfekte Leben der Fünf hat viele Schattenseiten, und die will Jan der Welt offenbaren.
Silke Heimes

Silke Heimes

Silke Heimes studierte Medizin und Germanistik in Deutschland und Brasilien. Bevor sie eine Professur für Journalismus antrat, hat sie lange als Ärztin in Psychiatrien in Deutschland und der Schweiz gearbeitet. Sie lebt in Darmstadt sowie am Meer und in den Bergen, wo sie Romane und Sachbücher schreibt.

Fragen der SYNDIKATS-Redaktion an Silke Heimes

Wo schreibst du am liebsten?

Ich habe zwei Stammcafés, in denen ich gut schreiben kann, weil ich die Atmosphäre dort mag.

Welcher ist dein Lieblingskrimi?

Das wechselt sehr schnell, weil ich viel lese. Aktuell mag ich gerne „Die Nacht der Acht“ von Philip Le Roy.

Warum bist du im SYNDIKAT?

Weil ich es schön finde, unter Gleichgesinnten zu sein und sich auszutauschen. Außerdem glaube ich, dass man gemeinsam mehr erreichen kann, wenn es um rechtliche und politische Anliegen geht.

Dein Lieblingswort?

Fisimatenten.

Dein Sehnsuchtsort?

Irland.

Dein Lieblingsgetränk?

Cappuccino.

Dein Lieblingsmord?

Subtile Mordarten, bei denen unklar ist, ob es sich um Mord, Selbstmord oder eine natürliche Todesursache handelt (z. B. eine Überdosis Kalium).

Wo findest du Ruhe?

In der Natur, v.a. in den Bergen und am Wasser.

Wo Aufregung?

Bei Kulturveranstaltungen, die mein Herz und Hirn anregen und bestenfalls aufwühlen.

Deine persönlich meist gehasste Frage?

Ist das autobiographisch?

Rezension

Darmstädter Echo, 30.03.2023

Jan, der lange das Opfer war, wird im Roman zum Täter. „Manche Leser halten das nur schwer aus“, hat die Autorin gemerkt. „Sie wollen eine klare Zuordnung von Gut und Böse. Die Gesellschaft sieht ja auch stets Gesunde oder Kranke. Dabei kann jeder gesund oder krank, Opfer oder Täter werden.“ Diese Ambivalenz ist ihrem Roman eingeschrieben.

Leseprobe

20 EMMY

Während Jens die Tickets holt, liest Emmy den Aushang. Die Seilbahn, die sie den Berg hinauf transportieren wird, ist ein exakter Nachbau aus dem Jahr 1899, als kühne Ingenieure die Schienen gelegt haben, Auge in Auge mit dem wilden, hundertzwanzig Meter hohen Reichenbachfall.

Emmy hofft, dass die Technik nicht auch von 1899 ist. Sie fühlt sich noch immer leicht benommen. Aber wahrscheinlich eher von den Schmerztabletten als vom Restalkohol, den ihr Körper so langsam abgebaut haben dürfte. Rod legt ihr den Arm um die Schulter. Obwohl Emmy ihn am Morgen mit ihrem Schweigen als Antwort auf seine Liebeserklärung ziemlich verletzt haben muss, ist er ausgesprochen fürsorglich. Er weicht kaum von ihrer Seite und erdolcht zwischendurch Ann mit seinen Blicken.

Als sie zu fünft auf die Bahn zusteuern, werden Emmy und Ann durch eine Gruppe Holländer von den anderen getrennt und müssen in einen anderen Wagen steigen. Rod versucht noch, gegen den Strom zu laufen, um zu ihnen zu kommen, wird aber immer wieder zurückgedrängt, bis er sich in sein Schicksal fügt.

Emmy winkt ihm beruhigend zu, auch wenn sie selbst alles andere als ruhig ist. Im Gegenteil. Ihr Herz rast wie irre. Endlich ist sie mit Ann allein und kann sie fragen, warum sie ihr am Abend zuvor diese Aufgabe gestellt hat. Wir sind doch keine Feindinnen, wird sie sagen. Und: Was hast du dir dabei gedacht?

Oder sollte sie Ann lieber das fragen, was ihr die ganze Zeit schon auf der Seele liegt? Das, was sie ihn Wahrheit wissen will. Auch wenn sie Angst vor der Antwort hat.

Als die Bahn sich in Bewegung setzt, bringt Emmy jedoch kein Wort heraus. Sie schafft es nicht mal, Ann in die Augen zu sehen. Und dann steckt Ann ihr auch schon einen ihrer Kopfhörer ins Ohr: We are never ever getting back together.

Nee, jetzt. Oder? Emmy wirft Ann einen irritierten Blick zu, als die Bahn plötzlich ruckt und Emmy gegen Ann gepresst wird. Sie spürt, wie ihr Körper sich erst versteift und dann, als sie die Wärme von Anns Körper spürt, ganz weich wird. Emmy riecht den leichten Kokosduft, den Ann verströmt und der Emmy immer an Sommertage am Meer erinnert.

Taylor Swift singt: „I used to think that we were forever ever, ever. And I used to say, never say never.“

Der Fahrtwind treibt Emmy die Tränen in die Augen. Dann ruckt die Bahn erneut. Dieses Mal so heftig, als habe ein Riese Schluckauf. Eine der Holländerinnen kreischt. In den Lautsprechern knistert es. Allerdings erfolgt keine Durchsage.

Verunsichert dreht Emmy sich zu Ann um, aber die starrt nur in die Ferne und wippt mit dem Kopf im Takt der Musik, als habe sie gar nicht bemerkt, dass sie ruckend zum Stillstand gekommen sind.

Emmy stupst sie an. „Da stimmt doch was nicht.“

Obwohl Ann nickt, macht es nicht den Eindruck, als habe sie verstanden, was Emmy gesagt hat.

Emmy lehnt sich aus dem Wagen. In der Tiefe brausen die Wassermassen ins Tal. Ob ein Seil gerissen ist? Funktioniert die Bahn überhaupt mit Seilen? Aber müssten sie dann nicht längst in die Tiefe gerauscht sein?

Rod brüllt etwas zu ihnen herüber, das Emmy nicht genau versteht, aber so viel heißen könnte wie: „Don’t worry.“

Emmy blickt zu Ann, die sie angrinst, was Emmy noch mehr aus der Fassung bringt. Wie kann Ann so gelassen sein, wenn sie gerade abstürzen? Ann hat noch immer den einen Kopfhörer im Ohr. Ihre Ohren sind perfekt. Sie hat die am feinsten geformten Ohrmuscheln, die Emmy je gesehen hat. Sie streckt die Hand aus, um Ann den Stöpsel aus dem Ohr zu ziehen. Doch dann lässt sie die Hand wieder sinken, weil es ihr irgendwie zu intim vorkommt, Anns Ohr zu berühren. Was man eben so denkt, wenn man abzustürzen glaubt. Von wegen, das ganze Leben zieht in einem solchen Augenblick an einem vorbei. Das ist gestern Nacht nicht passiert und heute tut es das auch nicht.

Schließlich nimmt Ann den Stöpsel selbst aus dem Ohr. Sie beugt sich so nah zu Emmy, dass die Lippen Emmys geschundene Wange berühren. „Alles Teil des Programms“, flüstert sie und grinst dabei wie die Grinsekatze aus Alice im Wunderland.

Das SYNDIKATS-Gewinnspiel

Welche bekannte Bahn benutzt die Clique bei einem ihrer Ausflüge in den Schweizer Bergen?

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