Leise rieselt der Tod
Uli Aechtner

Emons



ISBN 978-3-7408-0948-5

13,– € [D]

Weihnachten allein daheim zu sitzen, weil einem der Mann davongelaufen ist? Kommt für Jennifer nicht in Frage. Stattdessen quartiert sie sich bei Tom ein, einem guten Freund und frischgebackenen Landarzt. Doch aus den erhofften ruhigen Feiertagen wird nichts: Erst kündigt seine komplette Familie ihren Besuch an, dann trübt ein Mord die dörfliche Idylle. Als Tom in den Fall verwickelt wird, beginnt Jennifer nachzuforschen – und landet ausgerechnet in einem Weihnachtsflirtkurs für einsame Herzen ...

Uli Aechtner

Uli Aechtner

Uli Aechtner arbeitete viele Jahre als TV-Journalistin. Ihre ersten Kriminalromane erschienen bei Rotbuch, frühe Aechtner-Krimis wurden von S.Fischer als E-Books neu aufgelegt. Die Autorin lebt in der Wetterau, einem schönen Flecken, der sie zu mythischen Morden inspirierte.

Rezensionen

„Aechtner hat ein Händchen dafür, in wenigen Worten oder Szenen - bis hin zu den Nebenfiguren - Charaktere zu schaffen, die glaubwürdig sind und deren Handlungen und Motive man nachvollziehen kann. (...) Und nicht zu vergessen und ganz wichtig: Uli Aechtner hat Humor.” 
Hessenschau.de, April 2019

Ein exklusives Interview mit der SYNDIKATs-Redaktion

Warum bist du im SYNDIKAT?

Hier findet man alles, was das Krimiherz höher schlagen lässt: Tolle Autoren, super Veranstaltungen, irre Feste (na ja, nach Corona wieder!) sowie alle wichtigen Informationen zum Thema Kriminalroman.

Dein Lieblingskollege/Lieblingskollegin?

Haha, davon habe ich viele, viele, viele.

Dein Sehnsuchtsort?

Bonnieux in der Provence. In diesem Bergdorf hat Ridley Scott den Film „Ein gutes Jahr“ gedreht - nach einem Roman von Peter Mayle, der die Gegend so eindrucksvoll beschrieben hat, dass es nach ihm niemand mehr tun muss.

Dein Lieblingsgetränk?

Milchkaffee

Wo findest du Ruhe?

Egal wo. Meine Mutter hat mich als Kind in den Yogakurs geschickt, seither kann ich mich immer und überall entspannen.

Wo Aufregung?

In Büchern. Und in Büchern.

GEWINNSPIEL

Zu gewinnen gibt es 5 x 1 Exemplar „Leise rieselt der Tod“. Das Buch kommt mit ein paar Weihnachts-Give-aways zu dir. (Schrottwichtel-Alarm!) Bitte beantworte dazu folgende Frage:

Wo landet Jennifer, nachdem sie zu recherchieren beginnt?

Deine Antwort schickst du per Mail hierhin. Einreichungen bis 23.11.

Bei mehreren richtigen Antworten entscheidet das Los.

Leseprobe

Jennifer hatte Weihnachten immer gern gefeiert. Den Tannenbaum hatte sie als Kind mit dem Vater aus dem Wald geholt, wo sie den Förster kannten. Nur den schönsten durfte er für sie fällen. Sie erinnerte sich noch an das Pieken der Nadeln, wenn sie mit der Hand an der Spitze hinter dem Vater, der den Baum geschultert hatte, durch den Schnee gestapft war. An den Adventssonntagen hatte sie mit der Mutter Plätzchen gebacken. Die fertigen fielen in der großen Keksdose im Keller stets einem geheimnisvollen Schwund anheim, sodass sie ständig Nachschub produzieren mussten. Später, als Jugendliche, hatte ihr die familiäre Enge an Weihnachten missbehagt, und sie war nach der Bescherung in die Dorfdisko verschwunden, um ihre Freunde zu treffen. Dazu galt es zuvor den Gabentisch zu plündern und in ihre neuen Klamotten zu schlüpfen.

  Als erwachsene Frau hatte sie das gemütliche Beisammensein mit den Eltern wieder zu schätzen gewusst. Die Mutter ließ es sich nie nehmen, das Festmahl selbst zuzubereiten: Karpfen an Heiligabend, Rehbraten am ersten Weihnachtstag, Gänsekeulen am zweiten. Ihr lief jetzt noch das Wasser im Mund zusammen, wenn sie nur daran dachte.

  Diese Weihnachten würden anders sein als alle bisher erlebten, und das machte Jennifer Angst. Die paar Tage, die sie sich noch an ihrem Arbeitsplatz in der Bank aufhalten würde, kamen ihr wie eine Gnadenfrist vor. Ihr Blick glitt über ihren Schreibtisch hinweg aus dem Fenster, hinter dem sie die Gebäude auf der anderen Straßenseite nur erahnen konnte. Auf dem nachtdunklen Hintergrund warfen die Scheiben ihr Spiegelbild zurück, und sie sah in ihre eigenen großen, dunklen Augen. Ihre Hand fuhr in ihren schokobraunen Bob und zupfte eine widerspenstige Strähne zurecht.

  Jemand rief: »Jennifer, bist du so weit?«

  Hinter sich hörte sie die Kollegen fröhlich lachen. Der allgemeine Aufbruch zur Weihnachtsfeier der Bank ins Foyer hatte begonnen. Man unterhielt sich darüber, wohin man reisen würde, wer welches Geschenk bekam.

  »Ja gleich, geht schon vor, ich komme jeden Moment nach.«

  Sie griff zu der Schneekugel, die auf ihrem Schreibtisch stand. Ein niedlicher Tannenbaum befand sich darin, inmitten von weißen Schneekristallen. Nick hatte ihr die Kugel vergangene Weihnachten geschenkt, sie hatte es noch nicht übers Herz gebracht, sie zu entsorgen. Nun schüttelte sie die Schneekugel ein wenig und sah gebannt zu, wie der kleine Baum in durcheinanderwirbelnden weißen Flocken verschwand.

  Letztes Jahr hatte Nick mit ihr bei ihren Eltern Weihnachten gefeiert, kurz darauf hatte er sie im Streit verlassen. Sie sei ihm zu langweilig, so seine Version des Trennungsgrunds. Er hatte sich in eine andere verliebt, lautete ihre. Anfangs hatte Nick nur ein paar persönliche Dinge aus Jennifers Wohnung mitgenommen. Ein Freund hatte ihm ein Zimmer überlassen, und da gab es nicht viel Platz. Doch nun hatte er ein Appartement gefunden und vergangene Woche alles aus Jennifers Wohnung ausgeräumt, was ihm noch gehörte. Seitdem bewohnte sie ein seltsam leeres Zuhause. Helle Flecken an den Wänden, wo seine Bilder gehangen hatten. Ein schmutziger Rand über der Stelle, die Nicks Designersofa eingenommen hatte. Am schlimmsten war dieser hallende Ton, den der Fernseher verbreitete, weil die Akustik wegen der fehlenden Möbel unangenehm verändert war.

  Konnte man in einer so deprimierenden Umgebung Weihnachten feiern?

  Es musste wohl sein. Jennifer hatte ihre Eltern besuchen wollen, die ihr Ferienhaus in Mallorca vor einigen Monaten in ein ständiges Domizil umgewandelt hatten, und deshalb eigens Urlaub genommen. Doch im letzten Moment hatte sie es sich anders überlegt. Sie mochte sich von den Eltern nicht über Nick ausfragen lassen. Wollte ihre mitleidigen Blicke nicht sehen. Und an ihren letzten gemeinsamen Urlaub, den sie mit Nick bei den Eltern auf Mallorca verbracht hatte, wollte sie erst recht nicht erinnert werden.

  Sie gab der Schneekugel einen Schubs. Ein paar Flocken stoben scheinbar widerstrebend auf.

  Nick! Er hatte sein Snowboard im Keller vergessen. Sie sah ihn vor sich, wie er einen schneebedeckten Hang hinabsauste. Wie er lachte und sein dunkles Haar schüttelte, nachdem er den Helm abgesetzt hatte. Oft hatte sie ihn nur begleitet, um ihm zuzusehen, und im Tal auf ihn gewartet. Er stand einfach besser auf dem Brett als sie, fuhr rasanter und war mutiger. Wieso brauchte er sein Snowboard dieses Jahr nicht? Fuhr er an Weihnachten nicht in die Berge? Was machte er wohl an den Feiertagen?

  Sie wählte seine Nummer.

  »Ho, ho, ho! Wir treffen Santa Claus an Weihnachten in der Karibik. Drückt uns die Daumen, dass wir nicht zu oft vom Surfbrett fallen. Bis nächstes Jahr, ihr Lieben! Und hey, Leute, nicht versuchen, bei mir zu Hause einzubrechen, während ich weg bin. Ich habe da nämlich zwei Männer einquartiert. Dobermänner, ha, ha.«

  Genau Nicks billiger Humor, dachte Jennifer und knallte den Hörer auf die Gabel. Hoffentlich pellt sich die sonnenverbrannte Haut von seinem fitnessgestählten Körper, und er fällt alle paar Sekunden vom Surfbrett.