Polizei Alltag Schmitt Kilian 05Polizisten sind wie Pfadfinder: ALLZEIT (aber nicht zu allem) BEREIT!

Rapporteintrag 1. Polizeirevier, Nachtdienst

22.30 Uhr: Ein Mieter des aus anderen Einsätzen bekannten Mehrfamilienhauses in der Lindenstraße beschwert sich über Lärmbelästigung aus der Wohnung im Erdgeschoss. Dort würden mehrere weibliche Personen laut schreien und er befürchte, es sei „etwas Schlimmes passiert“. Keine Maßnahmen.

Mosel 10/61: POM Kolberg und PHW Bamberger.

Als die Streifenwagenbesatzung Mosel 10/61 am Einsatzort ankommt, dringt laute Musik und „wildes Frauengeschrei“ aus der besagten Wohnung. Nachdem Kolberg die Klingel gedrückt hat, hört man zunächst einen Schrei: „Leg´ Joe auf“ (nicht „um“, dann hätten die Kollegen sofort die Wohnung gestürmt), aber danach hören die Beamten nur noch Kichern und flüsternde Stimmen. 

Als sich die Wohnungstür öffnet, drängen sich in dem schmalen Flur einige Frauen aneinander. Eine Blondine mittleren Alters – wie alle anderen in Reizwäsche gekleidet - empfängt die überraschten Kollegen mit den Worten: »Da seid ihr ja endlich. Wurde auch langsam Zeit. Wir haben euch schon sehnsüchtig erwartet.« 

Sie bittet die beiden Beamten mit einem Augenzwinkern und einer einladenden Geste in die Wohnung. Kolberg und Bamberger irritiert das Verhalten des „Empfangskomitees“ der ausnahmslos weiblichen Ruhestörer und die Beamten machen sich ihren Weg frei, vorbei an dem Spalier der kichernden Frauen Im Wohnzimmer ertönt aus den Lautsprecherboxen in voller Lautstärke die unverkennbare Reibeisenstimme von Joe Cocker mit seinem bekanntesten Song „You can leave your hat on. Bamberger erfasst sofort die Situation. Er kennt den Text (Baby, komm, zieh deinen Mantel aus ... aber schön langsam! So, und jetzt die Schuhe ... Baby, und nun zieh dein Kleid aus! Nein, nicht den Hut ... den kannst du auflassen). 

Bamberger nimmt die Schirmmütze vom Kopf und grinst die Wohnungsbesitzerin an. Auf dem Wohnzimmertisch stehen einige leere Sektflaschen und es riecht, als sei in dem Zimmer ein Liter billiges Parfüm verschüttet worden. Kolberg blickt noch immer nicht durch. »Stellen Sie sofort die Musik ab und erklären mir, was das für eine Nummer werden soll?«, fordert er die Wohnungsinhaberin auf.

»Nummer ist gut«, ruft eine der Frauen, setzt Bamberger wieder die Mütze auf den Kopf, greift nach seiner Krawatte und zieht ihn in Richtung der geöffneten Schlafzimmertür…

Kolberg kann die Verwechslung noch rechtzeitig vor dem „Zugriff“ des weiblichen Kampfgeschwaders durch den Hinweis auf den Streifenwagen direkt vor dem Haus aufklären. 

Ob die Wohnungsinhaberin peinlich berührt oder sie – wie Bamberger – enttäuscht war, ist nicht überliefert. Es war ein Missverständnis. Die Frau hatte zum fünfzigsten Geburtstag ihrer Freundin zwei Stripper in Pilotenuniform gebucht, aber vermutlich wären ihnen als Polizisten verkleidete Callboys noch lieber gewesen. Konkrete Hinweise, ob die Damen bereits „Hand angelegt“ hatten oder Kolberg und Bamberger nach ihrem vorzeitigen Dienstende privat diese Adresse erneut aufgesucht haben, gehen aus dem Rapporteintrag nicht hervor. 

Im Bericht stand lediglich: „Die Wohnungsinhaberin war einsichtig und hat die Ruhestörung nach dem Auftreten der Beamten beendet.“ 

In welcher Art „die Beamten“ dort aufgetreten sind, verschweigt der Rapport.