Totenweg
Romy Fölck

Lübbe HC

Broschur

ISBN 978-3-7857-2622-8
2. Aufl. 2018

20,– € [D], SFr. 26,90 [CH], 20,60 € [A]

In einer Herbstnacht wird der Vater der Polizistin Frida brutal niedergeschlagen und liegt seither im Koma. Ein Mordversuch? Sie kehrt in ihr Heimatdorf in der Elbmarsch zurück, auf den Obsthof ihrer Eltern, wo sie auf Kriminalhauptkommissar Haverkorn trifft. Beinahe zwanzig Jahre sind seit ihrer letzten Begegnung vergangen, seit dem Mord an Fridas bester Freundin Marit, der bis heute nicht aufgeklärt werden konnte. Frida fällt die Rückkehr ins Dorf schwer: die Herbststürme, die Abgeschiedenheit, das Landleben zwischen Deichen, Marsch und Reetdachhäusern. Ihre alte Schuld scheint sie hier zu erdrücken: dass sie Marits Mörder kennt, aber niemandem davon erzählte.

Romy Fölck

wurde 1974 in Meißen geboren. Sie studierte Jura, ging in die Wirtschaft und arbeitete zehn Jahre für ein großes Unternehmen in Leipzig. Mit Mitte dreißig entschied sie, ihren großen Traum vom Schreiben zu leben. Sie kündigte Job und Wohnung und zog in den Norden. Mit ihrem Mann lebt sie heute in einem Haus in der Elbmarsch bei Hamburg, wo ihre Romane entstehen. Die Bände ihrer Krimiserie um das Ermittlerduo Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn standen alle auf der Spiegel-Bestseller-Liste.

Der erste Roman der Autorin, "Die Rückkehr der Kraniche" erschien 2022 bei Rowohlt-Wunderlich. "Das Licht in den Birken" erscheint 2024.

Totenweg ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 11. März 2018.

Kritikerstimmen

Totenweg ist ein richtig toller Schmöker geworden, der einem tatsächlich den Nachtschlaf rauben kann. […] Ich bin mir sicher, der Name Romy Fölck spielt in den Bestsellerlisten demnächst in der gleichen Liga wie Nele Neuhaus & Co.
Oliver Steuck, WDR 2, 26.02.2018

Die beiden Ermittler haben das Zeug zu Serienhelden.
Karin Großmann, Sächsische Zeitung, 06.02.2018

Der atmosphärisch dichte Roman, der nicht an Nebel und Sturm spart, fesselt nicht zuletzt wegen seiner souveränen Gratwanderung zwischen den Zeiten. […] Applaus für Romy Fölck. Für einen verheißungsvollen Serienauftakt.
Hendrik Werner, Bremer Nachrichten, 08.02.2018

Romy Fölck verbindet  […] einen alten Fall mit neuen unheimlichen und rätselhaften Vorfällen, und die Welt der modernen Polizeiarbeit mit der reizvollen Atmosphäre der Apfelhöfe in der Elbmarsch, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Eine spannende Kombination, und sehr gut geplottet ist das Ganze auch. Ihre Charaktere stattet sie mit facettenreichen Hintergrundgeschichten aus, die sie nur nach und nach aufblättert. Bravo, so machen das die Könnerinnen aus Großbritannien und den USA auch.
Antje Deistler, WDR 5 Krimicheck, 03.03.2018

Drei Fragen an Romy Fölck

Warum haben Sie sich für ein Leben mit dem Verbrechen entschieden?
Ich selbst lese fast ausschließlich Spannungsliteratur. Deshalb war mir klar, dass – wenn ich schreibe – es Kriminalromane sein müssen.

Was ist Ihre Lieblingstatwaffe?
Mein Laptop. Damit geht es nicht schnell, aber sehr wirkungsvoll.

Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Gute Krimis braucht das Land. Ich tue, was getan werden muss.

Leseprobe

    Hamburg, August 1998

Er blickte auf das Nokia, das in seiner Hand vibrierte, steckte es ein, zog es wieder heraus und nahm den Anruf an. Nickte, während die Krankenschwestern mit hektischen Schritten einen Bogen um ihn schlagen mussten, weil er ihnen im Weg stand. Haverkorn ging nicht zur Seite, hörte schweigend zu, sagte dann: „O. k., ich komme“, und drückte den Gesprächspartner weg. Lange sah er den glänzenden Flur hinab, über den seine Frau vor einigen Minuten gegangen war. Nichts war je so niederschmetternd gewesen wie dieses Gefühl der Endgültigkeit, als sie ihn zum Abschied geküsst hatte. Nie hatte er sich so verraten gefühlt.
Zwanzig Minuten später verließ er mit dem Auto die Stadt. Das flache Land beruhigte ihn. Er reagierte mechanisch, kuppelte, gab Gas, bremste. Er dachte nichts, er fühlte nichts. Ein Vakuum, das ihn davon abhielt, den Wagen an einen der Bäume zu lenken, die am Straßenrand standen. Er fuhr ein paar Kilometer am Deich entlang, überquerte eine Drehbrücke und bog irgendwann in den Feldweg ein, den ihm der Anrufer beschrieben hatte. „Totenweg“ nannten ihn die Marschbewohner. Es war, als wollten sie ihn verspotten.
„Wir sind fertig. Du kannst rein, Bjarne“, begrüßte ihn der Leiter der Kriminaltechnik.
Haverkorn nickte ihm zu. Er stieg über das Flatterband, das leise im Wind knatterte. Die Wolken hatten sich verdichtet, seit er Hamburg verlassen hatte. Es würde Regen geben. Schon der ganze Juli war verregnet gewesen, und der August begann nicht viel besser.
Seine Kollegen machten ihm schweigend Platz. Entsetzen und Ratlosigkeit in den Gesichtern. Er blieb einen Moment stehen vor der geöffneten Tür, die zum Fundort der Leiche führte. Er atmete tief durch und versuchte, seinen Puls zu beruhigen. Dann betrat er das heruntergekommene Backsteingebäude.
„Ein alter Stall, der nicht mehr benutzt wird“, hatte ihm sein Kollege am Telefon gesagt. „Mitten in der Marsch. Kaum zu glauben, dass sie dort so schnell gefunden worden ist.“
Der schäbige Innenraum wurde durch Scheinwerfer ausgeleuchtet und hob den Körper hervor, der auf dem nackten Steinboden lag. Haverkorn blieb stehen und ließ das Bild auf sich wirken. Innerlich rüstete er sich, dem toten Mädchen ins Gesicht zu blicken. Er ging weiter und atmete durch den Mund, um die Übelkeit zu unterdrücken. Sah hinunter auf den nackten Torso, die verdrehten Beine, die Strangmarke am Hals. Am schlimmsten war das Gesicht, bläulich, aufgeschwemmt, eine wächserne Maske des Todes.
Er hockte sich neben den Leichnam. Der Anblick des aufgedunsenen Gesichtes war furchtbar, aber er brauchte das. Dieses Bild brannte sich in seine Netzhaut ein. Es würde wie ein Motor sein, der ihn antrieb, bis der Täter gefasst war. Oder bis er selbst unter der Erde lag. Er würde denjenigen finden, der dem Mädchen das angetan hatte. Der ihm die Möglichkeit genommen hat, ein langes und erfülltes Leben zu führen.
„Bjarne, der Bestatter ist da.“ Der Kollege stand direkt hinter ihm. Er wartete einige Sekunden, bis er ihm die Informationen zuflüsterte, als könne das tote Mädchen sie hören. „Marit Ott, sie war vierzehn. Lebte drüben im Dorf. Die Eltern wissen schon Bescheid.“
Haverkorn stand auf und drehte sich um. Er ächzte leise. „Ich bin fertig. Ihr könnt sie wegbringen lassen.“
Er ging hinaus. Erste Tropfen klatschten auf seinen Wagen, als er einstieg. Lange starrte er durch die Scheibe in den Regen, ohne zu wissen, wohin er nun fahren sollte.