Mord im Dreivierteltakt
Constanze Scheib

OKTOPUS bei Kampa

Taschenbuch

ISBN 978-3-3113-0053-3

17,90 € [D], SFr. 24,90 [CH], 18,40 € [A]
Oskar Ehrenstein begleitet seine Frau nur aus einem Grund zum Wiener Philharmonikerball 1973: In dieser illustren Gesellschaft werden Geschäftsbeziehungen geknüpft. Üblicherweise gehen die Ehrensteins den Rest des Abends getrennte Wege, doch diesmal weckt Oskars merkwürdiges Benehmen die Neugier der gnä’ Frau: Was verbindet Oskar mit Felix Hall, dem Leiter eines Theaters am Spittelberg? Kurz vor der Mitternachtsquadrille kommt es im Foyer zum Eklat: Halls Regisseur und dessen Frau, die Ex-Primadonna Conetotti, liefern sich ein heftiges Wortgefecht mit dem Geldgeber der Opernproduktion. Diese Geschäftsbeziehung jedenfalls ist beendet. Ehe Frau Ehrenstein sich’s versieht, hat man sie zur Mäzenin erkoren – eine Rolle, in der sie sich gefällt: Sie liebt das Theater, und als Hobbydetektivin vermutet sie, dass mehr hinter den Ausbrüchen der Signora steckt. Bald gesteht die Operndiva: Ein Unbekannter hat ihre Lebenslüge enttarnt und fordert Schweigegeld – Geldübergabe auf dem Opernball. Doch der Erpresser hat seine Rechnung ohne Frau Ehrenstein gemacht.
Constanze Scheib

Constanze Scheib

Geboren 1979, absolvierte Constanze Scheib nach der Schule eine Schauspielausbildung und spielte in den folgenden Jahren auf diversen Bühnen in Österreich. Seit 2013 werden ihre Erzählungen auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht, 2014 erschien ihr Thriller „Lauras Parfum“. Zur Horror-Anthologie „Erntenacht“ steuerte sie mit „Luis“ eine Neuinterpretation der Sennentuntschi-Sage bei, für „100 Word Horrors 4“ das englische Drabble „Sanatorium“.  Seit 2021 erscheinen ihre Gnä‘ Frau -Krimis im Kampa Verlag. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Wien.

Leseprobe

1         Robert Redford beim Philharmonikerball

»Ist ... ist das Schokolade an deinen Handschuhen?«

Oskar blickte fassungslos auf Frau Ehrensteins Hände. Sie spürte ihre Wangen erröten und mied seinen Blick, während sie in ihrem kleinen Beutel nach einem Taschentuch kramte.

»Ähm ... ja. Eventuell hätte ich die Handschuhe ausziehen sollen, ehe ich den Sacherwürfel esse. Aber dann hab ich schon Alles Walzer! gehört, und ich wollte die kleine Köstlichkeit nicht verkommen lassen.«

Nach der Festfanfare und dem Einzug der Ehrengäste hatte die gnä’ Frau noch kurz der Eröffnung des Philharmonikerballs durch das Jungdamen– und Jungherrenkomitee zugeschaut: Junge Männer und Frauen hielten pärchenweise in den Ballsaal Einzug, boten dann einen choreographierten Tanz dar, um schließlich mit einem Linkswalzer die Feierlichkeit offiziell zu starten. Der Gusto auf etwas Süßes hatte Frau Ehrenstein anschließend zu einem der Pausenbuffets des Musikvereins getrieben. Sie war sicher gewesen, dass sie rechtzeitig zum ersten Tanz zurück sein würde.

»Marandjosef, hab ich auch am Mund Schokolade? Ist mein Lippenstift verschmiert?«

Oskar stieß einen tiefen Seufzer aus. Als sie ihm wieder in die Augen sah, erkannte sie jedoch ein amüsiertes Blitzen darin.

»Ich weiß zwar nicht, wie du das immer schaffst, aber dein Lippenstift sieht makellos aus. Warte, vielleicht wär’s gescheiter, wenn du die Handschuhe ausziehst.«

»Oskar Maximilian Leopold Bonifaz Ehrenstein. Du schlägst vor, dass ich bei einem der wichtigsten Bälle der Wiener Gesellschaft ohne Handschuhe herumlaufe? Also praktisch nackt?«

»Du bist ja heute wieder ausgesprochen amüsant. Ich will lediglich meine weißen Handschuhe schützen. Außerdem ist der erste Walzer schon halb vorbei. Komm, vielleicht finden wir noch ein Platzerl.«

Die gnä’ Frau stopfte ihre Seidenhandschuhe in ihren Beutel und eilte mit ihrem Mann zur vollgepackten Tanzfläche.

Man konnte kaum von Tanzen sprechen. Vielmehr schoben sich die Pärchen Schulter an Schulter über das Parkett, während die Wiener Philharmoniker mit Verve Strauss spielten. Frau Ehrenstein hielt sich an Oskars Oberarm fest, als er sich durch die Menge drückte, um zur Mitte der Tanzfläche zu kommen. Dabei wich sie geschickt gefährlichen Ellenbogen aus.

Ihrem Mann ging es nicht ums Tanzen. Wer wirklich gern Walzer tanzte, wartete ein paar Lieder ab, um sich auf dem Parkett auch wirklich bewegen zu können. Oskar kam es im Moment nur aufs Gesehenwerden an. Je näher er zum Zentrum der Menschenmenge vordrang, desto größer war die Chance, auch von den Logen aus bemerkt zu werden. Und dort saßen ehemalige, gegenwärtige und zukünftige Geschäftspartner.

Die gnä’ Frau legte eine Hand auf Oskars Schulter, die andere in seinen Handschuh, und sie begannen sich im Takt zu bewegen.

»Eins, zwo, drei - eins, zwo, drei.«

Neben den Ehrensteins presste ein junger Mann mit rotem Kopf den Dreivierteltakt zwischen seinen Lippen hervor und wurde im Viervierteltakt von seiner Partnerin ermahnt, nicht ständig auf seine Füße zu starren. Frau Ehrenstein musste schmunzeln, doch Oskars Miene blieb seriös, während er mit wachsamem Blick den Raum erforschte.

Wie jedes Jahr fand auch der 33. Philharmonikerball im Wiener Musikverein statt, getanzt wurde im goldenen Saal. Der Raum machte seinem Namen alle Ehre – er glänzte. Die Wände, die Galerien, selbst der Rahmen der großen Orgel waren in der Farbe des Edelmetalls gehalten. Das Licht der vier Kristallleuchter, die wie überdimensionale strahlende Tropfen von der Decke hingen, verstärkte noch den warmen Goldton.

»Eins, zwo, dr..., oh entschuldige bitte, Schatzi! Eins, zwo drei, eins, zwo, drei ...«

Das Pärchen neben den Ehrensteins hatte immer noch rege Probleme mit dem Walzer, doch Oskar war zu beschäftigt, um das zu bemerken.

»Schon jemanden entdeckt?«, fragt die gnä’ Frau, eher um Konversation zu machen als aus echtem Interesse.

»Der Batochwil sitzt mit den Renners in einer Loge. Das heißt wohl, sie haben den Vertag abgeschlossen oder sind kurz davor. Ich glaub, der Egger ist ohne seine Frau gekommen ...« Seine Stimme klang konzentriert, er suchte immer noch die Umgebung ab. »Ah, der Hofrat Kruppec ist hier unten im Parterre, zu dem werd ich nachher schauen müssen. Und ... Oh!«

Frau Ehrenstein folgte Oskars Blick. Das war gar nicht so einfach. Einerseits weil der Saal gesteckt voll war, andererseits weil sie sich im Walzertakt im Kreis bewegten. Zwar langsam, aber sie musste dennoch den Kopf etwas verdrehen, um in die passende Richtung zu blicken. In einer der unteren Logen saß ein eigenwillig aussehendes Pärchen. Sie war eine ältere, stark geschminkte Dame in einem knallbunten Kleid mit übertrieben viel Schmuck. Er, deutlich jünger, mit ungekämmtem Haar und in schlecht sitzendem Anzug. Auf den ersten Blick passten sie nicht auf den Philharmonikerball und schon gar nicht in eine Loge, für die man viel Geld bezahlen musste. Das kitzelte am detektivischen Gespür der gnä‘ Frau. Wäre sie überaus argwöhnisch, würde sie davon ausgehen, dass sich die beiden in die feine Gesellschaft hier einschleusen wollten, um ein Verbrechen, ein paar Diebstähle oder Trickbetrügereien etwa, zu begehen. Frau Ehrensteins Gatte interessierte sich jedoch nicht für die beiden, sondern für den Mann, der hinter ihnen stand.

Sie hatte diesen Mann noch nie gesehen. Er war hochgewachsen und trug einen schwarzen Frack, wie die meisten Männer hier. Die blonden Haare waren zu einem Seitenscheitel gegelt, seine Miene war ernst, und anstatt sich den Eröffnungswalzer anzusehen, starrte er auf die beiden vor ihm sitzenden Personen herunter.

»Meinst du den jungen Mann, der wie Robert Redford aussieht?«

Rezensionen

"Vor allem aber geht es um ein Schnüfflerinnen - Duo, welches die Autorin nach einem Wienerischen Cervantes - Modell aus Herrin und Dienstmädchen zusammenfügt, wobei das soziale Gefälle jede Menge Witz und Handlungsimpulse hervorbringt."

Julia Kospach, Falter

https://shop.falter.at/detail/9783311300144/der-wuerger-von-hietzing

 

"..., die Gnä‘ Frau, ist auf einem guten Weg, die Wiener Miss Marple zu werden.

Literaturblog.at             

https://www.literatur-blog.at/2022/10/constanze-scheib-keine-schoene-leich/

 

"Ein herrlich-böser Spaß!"

Johannes Kößler

Buchkultur, Ausgabe 204

 

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