Leander und der Rausch der Tiefe
Inselkrimi
Thomas Breuer
Prolibris
Thomas Breuer
geboren 1962 in Hamm / Westfalen; nach dem Abitur Studium (Germanistik, Sozialwissenschaften, Pädagogik) in Münster; unterrichtet seit 1993 als Lehrer für Deutsch, Sozialwissenschaften und Zeitgeschichte am Privaten Mauritius-Gymnasium in Büren im Kreis Paderborn; lebt seit 1994 mit seiner Familie in Büren; schreibt seit 2010 Kriminalromane und Kurzgeschichten; Debüt 2012 mit dem Föhr-Krimi „Leander und der tiefe Frieden“
Fragen der SYNDIKATS-Redaktion an Thomas Breuer
Wo schreibst du am liebsten?
An den Handlungsorten auf Föhr und Helgoland. Da das nicht das ganze Jahr über möglich ist, ersatzweise in meinem Strandkorb auf meiner Terrasse.
Welcher ist dein Lieblingskrimi?
Von meinen eigenen Romanen ist immer der jeweils aktuelle mein Lieblingskrimi. Ich lese aber auch sehr viele Romane meiner Kolleginnen und Kollegen. Aktuell ist mein Lieblingskrimi der Roman „Die Toten von Marnow“ von Holger Karsten Schmidt.
Dein Lieblingskollege/Lieblingskollegin?
Einzelne Lieblingskolleginnen oder -kollegen zu benennen, fällt mir schwer. Durch das Syndikat, seine Stammtische und die Kriminale habe ich im Laufe der Jahre sehr viele Kolleginnen und Kollegen kennengelernt. Das Besondere an Krimiautorinnen und -autoren ist, dass sie sehr humorvoll und kollegial sind. Mit einigen arbeite ich intensiv zusammen. Wir stellen uns gegenseitig unsere Plots und erste Ergebnisse vor, diskutieren sie und lösen gemeinsam Probleme. Dazu ist ein großes Vertrauen nötig, das bisher noch nie enttäuscht wurde.
Warum bist du im SYNDIKAT?
Das Syndikat ist eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, in der ein intensiver Austausch gepflegt wird. Die Weiterbildungsangebote und die Vernetzung sind ein Gewinn für mich. Außerdem halte ich in allen Berufen eine Interessenvertretung für nötig – auch bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern.
Dein Sehnsuchtsort?
Die Nordsee, vor allem die Inseln mit ihren ausgedehnten Stränden.
Dein Lieblingsgetränk?
Bier.
Dein Lieblingsmord?
Darf man Morde lieben – auch wenn sie einem gerecht erscheinen?
Wo findest du Ruhe?
In meinem Garten.
Wo Aufregung?
Überall wo ich auf Nazis und andere dumme Menschen treffe.
Leseprobe
Franziska blieb lange auf der Terrasse, nachdem die anderen kurz vor Mitternacht zum Tauchen hinausgefahren waren. Sie trank eine ganze Flasche Rosé und holte sich dann eine zweite aus dem Kühlschrank. Die Enttäuschung saß tief, wenngleich die erste Wut verraucht war. Der Alkohol dämpfte ihren Kampfgeist. Henning wollte sie beschützen, das war klar, aber verdammt noch mal, sie war selbst in der Lage, zu entscheiden, welches Risiko sie einzugehen bereit war. Er hätte mit ihr reden, hätte ihr die Risiken beschreiben und sie dann selbst abwägen lassen müssen, ob ein Nachttauchgang zu gefährlich für sie war. Was zum Teufel fiel ihm ein, einfach so über sie zu bestimmen?
Es war still auf der Düne. Selbst der Wind hatte sich gelegt und sein sanftes Rauschen im Dünengras eingestellt. Die Bungalows lagen in tiefem Schlaf. Nur einmal kam der Nachbar auf die Terrasse und zündete sich eine Zigarette an.
„Können Sie auch nicht schlafen?“, fragte er.
„Nein“, antwortete Franziska.
Ihr war im Moment nicht nach Smalltalk zumute. Der Mann nickte wissend, zog an der glimmenden Zigarette, blies den Rauch in die Luft.
„Es ist die Stille“, sagte er. „Das sind wir nicht gewohnt. Leben Sie auch in der Stadt?“
„Nein, auf Amrum.“
Wieder nickte der Nachbar, als wisse er genau, wovon sie sprach. „Wir kommen aus Düsseldorf und wohnen mitten in der City. Da gibt es das gar nicht, dass man nachts nichts hört. Der Verkehr, die Musik aus den Kneipen, die Menschen auf den Straßen – das geht die ganze Nacht so.“ Er zog an der Zigarette, blies Rauch aus. „Wenn es so still ist wie hier, kann ich einfach nicht schlafen.“
Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher auf dem Tisch aus, nickte zu ihr hinüber und zog sich wieder in den Bungalow zurück. Franziska sah auf die Uhr: Fünf vor zwei. Zeit, ins Bett zu gehen, auch wenn sie wusste, dass sie kein Auge zutun würde. Sie nahm die Flaschen und das Glas mit in den Bungalow und schloss die Terrassentür ab. Henning hatte einen Schlüssel und würde hereinkommen, ohne sie wecken zu müssen, falls sie doch einschlafen sollte. Und wenn nicht, sollte er doch hier draußen schlafen, verdammt noch mal!
Plötzlich lag die Düne im Dunkeln. Henning Leander brauchte einen Moment, um zu begreifen. Er richtete sich von der Reling auf und sah angestrengt durch die Nacht. Mit einem Mal hatte er ein mulmiges Gefühl. Mist, das gefiel ihm nicht.
„Auf der Düne ist das Licht ausgegangen!“, rief er den anderen zu. „Wir müssen sofort zurück.“
„Wahrscheinlich nur ein Stromausfall“, entgegnete Maik.
„Das kommt schon mal vor“, bestätigte Lasse. „Kein Grund zur Sorge. In ein paar Minuten werden die Laternen bestimmt wieder brennen.“
Pia sah ihren Vater an und verstand offenbar, dass sein Instinkt etwas anderes sagte. „Schmeiß den Motor an, Lasse“, rief sie. „Lass uns sehen, dass wir so schnell wie möglich zurückkommen.“
Der zog skeptisch die Stirn kraus, nickte aber und eilte zum Ruderhaus. Im Laufen rief er Leander zu, er solle den Anker einholen.
Das Schiff pflügte rauschend durch die spiegelglatte See. Lasse holte aus dem Motor heraus, was der zu bieten hatte, und doch ging es Leander viel zu langsam. Die Düne lag dunkel vor ihnen, ganz im Gegensatz zum Felsen, auf dem die Lichter nach wie vor brannten. Leander ergriff die furchtbare Gewissheit, dass seine Freundin in Gefahr war.
Kratzende Geräusche an der Terrassentür schreckten Franziska aus ihrem unruhigen Schlummer. Einen Moment lang musste sie sich orientieren. Wo befand sie sich? Sie wunderte sich über die Dunkelheit um sie herum, obwohl sonst doch immer der sanfte Schein der Laternen durch die Vorhänge sickerte.
Die Terrassentür klackte auf. Henning, dachte sie und warf einen Blick auf den Wecker neben sich. Die Leuchtziffern zeigten an, dass es kurz nach halb drei war. Merkwürdig, dachte sie. Hatten die vier ihren Tauchgang vorzeitig abgebrochen?
Sie überlegte, wie sie sich verhalten sollte, wenn er ins Zimmer kam. Unmöglich konnte sie ihn begrüßen, als wenn nichts gewesen wäre. Sich einfach schlafend zu stellen, kam ihr aber auch kindisch vor. Noch während sie grübelte, wurde die Schlafzimmertür aufgestoßen. Im Restlicht des Mondes, das seinen Weg durch die Vorhänge fand, machte Franziska Schatten aus, die ins Zimmer huschten. Sie war so überrumpelt von der Situation, dass es ein paar Sekunden brauchte, bis die Erkenntnis zu ihr durchdrang: Das war nicht Henning! Und es war auch nicht nur eine Person!
Panisch schreckte Franziska hoch.