Kaiserstuhl

List Verlag


ISBN 978-3-4713-6011-8

23,– € [D]

Kaiserstuhl 1962:
Zwei Menschen in einer Grenzregion

Am Kaiserstuhl kreuzen sich kurz nach Kriegsende die Wege von Henny Köpfer und Paul Duringer. Die Tochter eines Weinhändlers und der elsässische Soldat leben auf dem Hof der alten Bäuerin Kätter. Mit ihr und dem kleinen Kaspar wachsen sie zu einer Familie zusammen. Doch es sind keine einfachen Zeiten. So leicht die Liebe entstand, zerbricht sie auch wieder. Paul verschwindet ganz plötzlich, und auch Henny kehrt dem Kaiserstuhl den Rücken.
Erst 1962 stehen sich Henny und Paul wieder gegenüber. Sofort brechen alte Wunden auf, und am liebsten würden beide noch einmal davonlaufen. Doch das können sie nicht. Denn Henny ist im Besitz einer alten Champagnerflasche, die Paul im Auftrag des französischen Sicherheitsdienstes sucht. Sie ist an Symbolkraft kaum zu überbieten, sie steht für die Plünderungen der Deutschen in Frankreich und soll Adenauer und de Gaulle bei einem Festakt überreicht werden

Rezensionen

„Brigitte Glaser hat mit viel Liebe zum Lokal- und Zeitkolorit eine Thrillerhandlung ins Dreieck Straßburg-Freiburg-Kaiserstuhl gepflanzt, die viel über die späte Nachkriegszeit erzählt – und das, was sie verdrängt. Eine Geschichte von Liebe und Schuld, Verrat und Niedertracht. Aber auch vom Aufbruch der jungen Generationen in einem freien Europa.“ René Zipperlen, Badische Zeitung, 8.3.2022

„Glaser ist auch eine erfolgreiche Krimiautorin. Das kommt Kaiserstuhl“ zugute. Verbindendes Element zwischen Kriegs- und Nachkriegszeit ist eine Flasche legendären Champagners von 1937. Die Jagd nach der Champagnerflasche trägt unbedingt zur Spannung bei – und verhilft dem Roman zu seinem furiosen Ende.“ Susanne Schramm, Kölner Rundschau, 5.4.2022

Ein exklusives Interview mit der Autorin Brigitte Glaser

Warum bist du im SYNDIKAT?

Das SYNDIKAT begleitet mich seit meinen Anfängen als Autorin. Unter allen Schriftsteller-Verbänden ist das SYNDIKAT mein Heimathafen. Nirgendwo gibt so viele tolle Kolleginnen und Kollegen wie im SYNDIKAT.           

Dein Lieblingswort?

Immer das, was ich in einem Roman besonders oft verwende und dann an vielen Stellen wieder streichen muss. 

Dein Sehnsuchtsort?

Der wechselt, je nach Stimmung und Jahreszeit.

Dein Lieblingsgetränk?

Champagner oder ein guter Cremant

Dein Lieblingsmord?

Roald Dahls Lammkeulenmord        

Dein Fetisch?

Hab ich nicht

Was möchtest du in der Welt gerne ändern?

Die Liste würde diesen Fragebogen sprengen.           

Was soll so bleiben wie es ist?

Wissen wir nicht alle, dass nichts bleibt, wie es ist?

Wen würdest du am allerliebsten ermorden?

In der aktuellen Situation würde mir da besonders einer einfallen.      

  Welches ist dein Lieblingskrimi?

Da gibt es etliche, und ich bin froh, mich nicht wie die GLAUSER-Jury für einen entscheiden zu müssen.        

Deine persönlich meist gehasste Frage?
Hab ich nicht.           

Leseprobe

Kaiserstuhl:

Freiburg

Der Champagnerhändler Charles Debray kam zu spät, deutsche Pünktlichkeit lag den Franzosen halt nicht. Hennys vorwurfsvollen Blick auf die Uhr machte er mit Charme wett: Oh, là, là, Handkuss und Komplimente, Madame hier und Madame da. Trotz ihrer einundvierzig Jahre kicherte sie wie ein Backfisch. Der alte Zängerle, den sie vor zwei Jahren als Verkäufer angestellt hatte, staunte Bauklötze. „Ja, Herr Zängerle, was den Umgang mit Frauen angeht, können sich die deutschen Männer bei den Franzosen eine Scheibe abschneiden“, lachte sie, beendete dann aber schnell die Honneurs, um zum Geschäft zu kommen.

Debray radebrechte deutsch, Henny ölte ihr Schulfranzösisch, irgendwie verstand man sich. Henny, die guten Verkaufszahlen des letzten Jahres im Kopf, orderte großzügig Champagner nach. Das Wirtschaftswunder sorgte für immensen Aufschwung: Otto Normalverbraucher konnte sich ein Eigenheim, einen Fernseher und ein Auto leisten, in besseren Kreisen gehörte Champagner wieder zum guten Ton. 

Henny erzählte, dass ihr Vater in den Zwischenkriegsjahren fünfzehn verschiedene Champagner im Sortiment hatte.

„Fünfzehn verschiedene?“, echote Debray höflich.

Henny nickte. „Ich kann sie Ihnen heute noch aufzählen!“

„Mais non!“, widersprach er.

„Mais oui“, hielt sie dagegen und legte los.

„Vossinger? Ihr Vater hatte Vossinger im Sortiment?“ Debray war nun regelrecht elektrisiert.

Henny ohrfeigte sich innerlich, weil sie sich von einem kindlichen Stolz hatte hinreißen lassen, alle Champagner-Häuser aufzuzählen. Wieso hatte sie Vossinger nicht weggelassen?

„Vossinger stellt nur eine kleine Menge hervorragenden Champagners her und vertreibt diesen über wenige, exquisite Adressen. Pardon, Madame, es wundert mich, dass Vossinger in den Zwischenkriegsjahren an einen kleinen deutschen Weinhändler geliefert hat“, erklärte Debray. 

„Mein Vater und Georges Vossinger kannten sich“, erwiderte Henny schnell. 

Ah oui. Dann wissen Sie sicherlich, wie schwer gerade das Haus Vossinger im Zweiten Krieg von der deutschen Besatzung betroffen war?“

Henny machte eine undeutliche Kopfbewegung. Bloß nicht darüber reden müssen. Bloß nicht.

„Euer Reichsmarschall Göring war ein gefräßiges Ungeheuer. Ein gefräßiges Ungeheuer mit einem exquisiten Geschmack.“

Bildete sie es sich nur ein, oder klang Debrays Stimme plötzlich eisiger? Musterte er sie nicht kühler, ja regelrecht feindselig? Mit einem Schlag kamen ihr Debrays Honneurs von vorhin nur wie ein dünner Firnis aus Höflichkeit vor.

„Kannten Sie Görings Statthalter in der Champagne? Den Weinhändler Friedrich Rohl?“

Die Ladenklingel ersparte ihr die Antwort: „Das ist bestimmt Elfie, die ihren Schlüssel vergessen hat“, sagte sie, als Zängerle aufstehen wollte. „Ich geh schnell.“

Natürlich war es nicht Elfie. Die war im Theater und präparierte die Requisiten für die Abendvorstellungen. Der unbekannte Kunde wollte zwei Flaschen Merdinger Bühl. Henny ließ sich Zeit, um den Wein in Seidenpapier einzuwickeln, sie musste sich sammeln.

Es erleichterte sie bei ihrer Rückkehr, dass Debray bereits in Hut und Mantel dastand. 

„Dann kennen Sie bestimmt auch Yves, den Sohn von Georges Vossinger“, knüpfte er an ihr Gespräch an. „Vor einigen Jahren hat er den Betrieb seines Vaters übernommen. Er macht einen genauso guten Champagner wie der Alte.“

Henny war, als hätte er ihr einen Schlag in die Kniekehlen verpasst. Sie musste sich am Tisch festhalten, um nicht umzuknicken.

„Alles in Ordnung?“, fragte Zängerle besorgt, Debrays Gesicht konnte sie nicht lesen.

„Der Kreislauf.“ Ihr gelang ein Lächeln. „Manchmal spielt er mir einen Streich.“