Eisige Nacht
Niklas Sonnenschein

dp Verlag


ISBN 978-3-9877-8817-8

10,99 € [D], SFr. 0,– [CH], 0,– € [A]
Im hohen Norden Norwegens verschwinden Forscher von einer arktischen Wetterstation – ohne jede Spur. Kommissar Karl Sortland und sein neuer Partner Mats Samuelsson werden nach Bjørnøya entsandt, um das Mysterium zu lösen. Vor Ort erwarten sie eine verwüstete Forschungsstation, eine Leiche und eine schwer verletzte Stationsleiterin. Schnell werden die Ermittlungen zu einem Überlebenskampf gegen die eisige Wildnis und gegen die eigene dunkle Vergangenheit. In einer verzweifelten Jagd nach der Wahrheit enthüllen Die Kommissare ein Netz aus Geheimnissen und Intrigen, das sie bis an ihre Grenzen bringt …
Niklas Sonnenschein

Niklas Sonnenschein

Niklas Sonnenschein wurde 1981 in Bremen geboren. Im Jahr 2005 zog der studierte Jurist nach Norwegen und arbeitet dort in der Offshore Energiebranche. 

Inspiriert durch einen Besuch in Kirkenes, wo Norwegen an Russland grenzt, erschuf der Deutsch-Norweger seinen Kommissar Sortland. 

Sonnenschein lebt mit seiner Tochter und seiner norwegischen Partnerin in Mosjøen, nur wenige Kilometer unter dem Polarkreis. 

Fragen der SYNDIKATS-Redaktion an Niklas Sonnenschein

Wo schreibst du am liebsten?

Auf der Veranda.

Welcher ist dein Lieblingskrimi?

Harry Hole, Jo Nesbø.       

Warum bist du im SYNDIKAT?

Um Kontakte mit Gleichgesinnten zu knüpfen. 

Dein Sehnsuchtsort?

Småland in Schweden.    

Dein Lieblingsgetränk?

Hansa Bier aus Bergen (Norwegen).          

Wo findest du Ruhe?

 Auf der Veranda in Mosjøen mit Aussicht auf den Vefsnfjord.     

Leseprobe

Kapitel 1

An jenem Morgen jagte ein eisiger Nordwind über die Barentssee.

In diesem Teil der Erde gab es fast nur Wasser und Himmel und dazwischen lag eine karge, schneebedeckte Insel. Eine Seemöwe segelte unter den tiefhängenden Wolken. Nervös folgte sie der Küstenlinie. Die Gezeiten pressten die ersten Eisschollen an das felsige Ufer und das Tier wusste instinktiv, dass der Winter unaufhaltsam auf dem Vormarsch war.

Eine scheinbar immerwährende Finsternis würde diesen Ort in Kürze vollends verschlucken, um ihn dann im Frühjahr, zusammen mit den ersten Sonnenstrahlen, wieder auszuspucken. Doch das war es nicht, was den Vogel beunruhigte; die Möwe verfolgte zwei winzige Gestalten oben auf der Steilküste, die hier fast hundert Meter hoch aus dem aufgepeitschten Meer ragte. Sie sorgte sich um ihre Jungen, die in einer Felsnische auf sie warteten.

Die Punkte standen beinahe still. Sie kamen nur langsam gegen den Wind an. Zwei Männer auf Skiern, am oberen Rand der Klippe; dort, wo der steile Fels in eine flache Ebene überging.

Der hintere der beiden überragte den Vorläufer um beinahe eine Kopflänge. Er trug einen schwarzen Schneeanzug und ein paar Strähnen dünnes, blondes Haar lugten unter der Mütze hervor. Auf dem breiten Rücken trug er ein Gewehr.

Einem intelligenteren Betrachter als einer Seemöwe wäre aufgefallen, dass insbesondere der kleinere Mann mit der Witterung zu kämpfen hatte.

Zwischen den beiden lagen über zwanzig Meter. Als der Nachzügler stehen blieb und ein abgegriffenes Blatt Papier aus seiner Tasche zog, zitterte seine Oberlippe kaum merklich. Er hatte den Brief schon mehrmals gelesen. Auch jetzt stieg wieder eine tiefe Niedergeschlagenheit in ihm auf. Er blickte dem anderen nach, der sich vor ihm durch den Schnee mühte. Seine Bewegungen waren unregelmäßig. Immer wieder wirkte es, als ob er ausrutschen und dabei das Gewehr verlieren könnte, das auf seiner Schulter schaukelte.

Der Größere schnaubte, sah erneut auf die Notiz in seiner behandschuhten Hand. Dann wischte er sich über das orangefarbene Plastik seiner Skibrille und steckte den Brief in die Jackentasche.

Die Traurigkeit flaute ab und Zorn ersetzte sie.

Er hörte sein Blut in den Ohren rauschen, so laut, dass es sogar das Heulen des Windes übertönte. Plötzlich blieb der Vorläufer ebenfalls stehen und drehte sich zu ihm um.

Mit zusammengekniffenen Augen sah der Hintere auf die Figur vor sich. Immer wieder verschwand der Winzling hinter einem weißen Vorhang aus Schnee, den der Wind fast waagrecht über die Klippen blies.

Was ist er doch für ein armseliger Kerl.

Doch dann stellte der Nachzügler erstaunt fest, dass die Hand des anderen auf dem Kolben seiner Waffe zu ruhen schien.

Das Jaulen des Windes drang nun kaum noch zu ihm durch. Auch spürte er die schneidenden Eispartikel nicht mehr, die auf die unbedeckte Haut um seinen Mund schlugen. Seine Augen waren nur noch zwei dünne Schlitze hinter gefärbtem Plastik.

Langsam ließ er den Riemen seines Gewehrs nach unten gleiten, legte die Stütze vorsichtig an seine Schulter.

Über ihm, und für den Mann durch das Wetter nicht auszumachen, hatte der Vogel bereits abgedreht.