Die Toten, die dich suchen
Judith Kriegers sechster Fall
Gisa Klönne
Pendo Verlag
© Irène Zandel
Gisa Klönne
Gisa Klönne, geboren 1964, lebt als freie Schriftstellerin in Köln. Ihre inzwischen sechs Kriminalromane um die eigenwillige Kommissarin Judith Krieger erreichten eine Gesamtauflage von über einer halben Million, wurden in mehrere Sprachen übersetzt und mit Auszeichnungen bedacht. Unter anderem erhielt sie im Jahr 2009 den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte "Bester deutschsprachiger Kriminalroman" für NACHT OHNE SCHATTEN. Die Kriminalpolizei Bonn ernannte Gisa Klönne zur Ehrenkommissarin.
Ihr autobiografisch inspirierter Familienroman DAS LIED DER STARE NACH DEM FROST, der die Spätfolgen der NS-Zeit in einer evangelischen Pfarrersfamilie thematisierte und zugleich die Suche einer Musikerin nach ihrer Stimme, war ein Spiegel-Bestseller. Ein weiterer Roman folgte, ein dritter ist aktuell in Arbeit.
Gisa Klönne schreibt auch Kurzprosa, moderiert Lesungen und literarische Veranstaltungen und ist ausgebildete Yogalehrerin. Ihr Wissen gibt sie in Seminaren und Einzelcoachings weiter.
Gisa Klönne war Jury-Vorsitzende und Mitbegründein des Krimipreises CRIME COLOGNE und Frontfrau der wohl weltweit einzigen Rockband STRENG GEHEIM, der ausschließlich Krimiautoren angehören. Im Krimautoren-Netzwerk DAS SYNDIKAT engagiert sie sich für kollegiales Networking und als Mentorin. Von 2005 - 2007 war sie gemeinsam mit Jürgen Kehrer und Angela Esser eine von damals drei Sprecherinnen des SYNDIKATS.
Bevor sie das Glück hatte, ihren Lebensunterhalt mit der Literatur zu verdienen, studierte Gisa Klönne Anglistik, Germanistik, Politik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Köln und England und jobbte als Sekretärin, Opernstatistin, Mehlmotten-Züchterin und in einem feministischen Forschungsprojekt an der Universität. Sie volontierte bei einer Umweltzeitschrift, arbeitete als Chefredakteurin und freie Journalistin, sowie als Dozentin in der Aus- und Weiterbildung von Journalisten.
www.gisa-kloenne.de
Empfehlung der Woche
Die Toten, die dich suchen ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 10. Juli 2017.Kritikerstimmen
Ein grandioses Stück, passend in die Zeit der Migranten, der Illegalen, derjenigen, die immer Stiefel lecken müssen und dafür einen Tritt ins Gesicht bekommen. Ein Krimi, der das Zeug zum Bestseller hat. Unbedingt.
Ingrid Müller-Münch, WDR 5
Komplexe, brisante Handlung mit psychologischem Tiefgang.
Hörzu
Die Toten ist ein Krimi, der den Leser nicht mehr loslässt. (...) Ein Buch, das von der ersten bis zur letzten Seite beeindruckt und nachdenklich macht. Krimi-Lektüre vom Feinsten. Auch, weil die Ermittler "richtige Menschen" bleiben.
Ruhr Nachrichten
Klönnes Krimis haben einen unwiderstehlichen eigenen Ton.
Kölnische Rundschau
Drei Fragen an Gisa Klönne
Warum haben Sie sich für ein Leben mit dem Verbrechen entschieden?Es schien mir zum damaligen Zeitpunkt alternativlos und brachte dann einige Vorteile, die einer Läuterung nicht wirklich zuträglich waren.
Was ist Ihre Lieblingstatwaffe?
Kopf, Füller, Papier – alternativ auch ein Bleistift oder mein Computer.
Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Ich lasse niemanden unnötig leiden. Na ja, fast niemanden. Fragen Sie lieber nicht meine Kommissarin Judith Krieger …
Leseprobe
Montag, 4. Mai
Judith
Sie folgten dem Pfad, den das Absperrband vorgab, ließen die Kollegen zurück. Ihr Gejohl, ihre Zoten. Judith hob den Daumen. Der Hof schien sich zu verengen. Mauern, die näher rückten und den Tag schluckten. Sie hörte die Schritte Dinah Makowskis in ihrem Rücken wie ein unstetes Echo, hörte das leise Rascheln ihres Overalls im Takt ihrer Bewegungen. Und ihr Handy vibrierte schon wieder, zum x-ten Mal heute. Weitere Glückwünsche zu ihrem Karrieresprung wohl. Kollegen, die sich plötzlich an sie erinnerten, nun, da sie wieder in Köln war.
Hast also doch noch Sehnsucht bekommen, Krieger. Hältst es nicht ohne Mord aus!
Sie ließ das Telefon, wo es war, schickte einen schnellen Blick über die staubblinden Fenster der Lagerhalle, den Stapel modriger Holzbohlen davor, das holprige Pflaster. Löwenzahn blitzte in den Ritzen. Das sah lustig aus. Lauter fette kleine Sonnen, wie sie Kinder mit Wachskreiden malen. Früher hätte sie sich gebückt, die zu pflücken.
Das Gebäude am Ende des Hofs war ein dreistöckiger Betonklotz mit Flachdach, die Fenster mit Brettern vernagelt.
„Judith. Hallo.“ Klaus Munzinger, der Chef der Kriminaltechnik, trat aus dem Eingang.
„Klaus.“ Sie gab ihm die Hand. „Und ihr seid tatsächlich sicher, dass ihr unseren Mann habt? Angelo Jaramillo?“
„Die Kleidung passt. Die Haare. Und das Tattoo ist eindeutig.“
Zwielicht empfing sie drinnen, ein bleiernes Grau, das durch die Bretterverschalungen hereinsuppte. Dort, wo einst Lampen montiert gewesen waren, krümmte sich ein Gewürm nackter Kabel aus den Wänden. Rechts gähnte ein Aufzugschacht, ungesichert und ohne Türen. Das Gebäude stand leer, seit Monaten schon, im nächsten Jahr würde es abgerissen werden.
Sie folgten dem Kriminaltechniker zum Treppenhaus und die Stufen herab. Schritte im Gänsemarsch, das Knistern der Overalls, die Latexhandschuhe, deren Fingerlinge für Judiths Hände wie immer ein Stückchen zu lang waren. Alles vertraut, als ob sie nie fort gewesen wäre und die letzten vier Jahre sich einfach auflösten. Irgendwo ratterte ein Generator. Unten. Im Keller. Großartig, wirklich. Ein glänzender Start als Leiterin der Vermisstenfahndung. Ein Job für die Lebenden sollte das werden. Doch schon der erste Fall wandelte sich zu einer Todesermittlung, direkt nach ihrer Antrittsrede, noch bevor sie überhaupt ihren neuen Schreibtisch in Augenschein nehmen konnte. Guter Witz, wirklich. Kein Wunder, dass die Kollegen feixten. Nur dass das gar kein Witz war.