Der Menschenleser
Roman
Patricia Holland Moritz
KLAK Verlag
Klappenbroschur, 353 Seiten
Deutschland Ende der 1960er Jahre. Kindermorde erschüttern West und Ost. Auf der einen Seite der pädosexuelle Serienmörder Jürgen Bartsch in Nordrhein-Westfalen. Auf der anderen drei grausame Morde in der brandenburgischen Kleinstadt Eberswalde. Panik breitet sich aus und Schuldige werden gesucht, auch unter der sowjetischen Besatzungsmacht. Die Ermittler der Kriminalpolizei stehen unter enormem Druck in einem System, das auf Anpassung basiert und am Kompetenzgerangel der Staatsorgane scheitert. Nur der Forensiker Paul Semper, ein kauziger Einzelgänger an der Berliner Charité, versucht in jenem Land, in dem jedes individuelle Leben unter staatliche Obhut gestellt war, neue Ansätze der Täteranalyse und des Verständnisses der menschlichen Abgründe zu entwickeln.
Äußerst lebendig, präzise und authentisch leuchtet Patricia Holland Moritz die Milieus in der (ost)deutschen Provinz unterhalb der öffentlichen Moral aus und zeigt, wie Menschen an den Verhältnissen zerbrechen. Auf historischen Tatsachen und Archivrecherchen beruhend setzt der Roman mit literarischer Freiheit Prof. Dr. Dr. Hans Szewczyk (1923-1994), dem medizinischen Direktor der Nervenklinik an der Charité Berlin, ein Denkmal, der durch seine Arbeit Täterprofile in die Ermittlung einführte und die Voraussetzung für die heutige Prävention und die Technik des Profilings schuf.
© Holmsohn
Patricia Holland Moritz
die auf ihren Buchcovern den nervenden Bindestrich weglässt, wurde 1967 in Karl-Marx-Stadt (der Stadt mit zwei Bindestrichen) geboren und sagt das auch so, weil „geboren in Chemnitz“ hieße Jahrgang vor 1953 oder nach 1990.
War Buchhändlerin in Leipzig, Speditionskauffrau in Paris, Kaltmamsell in diversen Irish Pubs und begann erst in Berlin damit, Krimis zu veröffentlichen.
Geschrieben hat sie schon immer, weil schon die Frage „Bist du verwandt mit Renate Holland-Moritz?“ den Anstoß gab, die eigenen Schreibgene freizulegen.
Erste Lesungen noch ohne Veröffentlichung und einfach auf ihrer Behauptung „Ich bin Schriftstellerin!“ basierend. Lohn der Angst waren das Berliner Autorenstipendium für den Roman „Zweisiedler“ (unter Verweigerung von Schubladendiskussion mit Verlagen trotzig selbst veröffentlicht bei BoD, 2012) und die Freundschaft zum Leipziger Pfarrer Christian Führer, dem Mitinitiator der Friedlichen Revolution 1989, einem Gottesmann, für den sie zum Ghostwriter wurde: „Und wir sind dabei gewesen. Die Revolution, die aus der Kirche kam“ (Ullstein, 2009).
Seitdem hat sie bloggen, twittern und facebooken und einen Buchtrailer drehen gelernt, 6 Kurzkrimis in Anthologien des Verlages edition krimi Leipzig (2013 – 2017) veröffentlicht und Berlin-Krimis um das „Chamäleon“ Rebekka Schomberg bei Gmeiner: „Die Einsamkeit des Chamäleons“ (2014) und „Kältetod“ (2015), sowie den Botanik-Krimi "Mordzeitlose" mit seinen bösen Wurzeln in Berlin. 2019 erschien mit Förderung durch das Arbeitsstipendium des Mörderische Schwestern e.V. ihr Roman "Der Menschenleser" im KLAK Verlag. Thema simd die "Eberswalder Knabenmorde" und der einsame Kampf eines forensischen Psychiaters der Ostberliner Charité gegen ein dogmatisches System.
Wurde bisher auf Dutzenden Lesungen pro Jahr gesichtet, vom Wave-Gothic-Fest bis zum Sofalesen neben Hakan Nesser, Arne Dahl, Oistein Borge und Ulrich Wickert.
Mit ihrem neuen Roman "Kaßbergen" hat sie das Krimigenre verlassen und im Aufbau-Verlag einen "Gesellschaftsroman, der das Panorama einer Stadt im zwanzigsten Jahrhundert zeichnet", einen "Entwicklungsroman und ein Stück deutsche Zeitgeschichte" geschrieben über die Gefühle der Menschen im Osten der Republik.
Autorenfoto (c) Holmsohn
Begründung der Jury zur Verleihung des Arbeitsstipendiums des Mörderische Schwestern e.V. 2017
"Der Menschenleser“ von Patricia Holland Moritz ist eine psychologisch tiefsinnige Betrachtung, wie ein Mensch zum Täter werden kann, und zugleich ein Stück deutsch-deutscher Wissenschaftshistorie. Der Krimi handelt von den „Eberswalder Knabenmorden“, die Erwin Hagedorn 1969 und 1971 begangen hat. Nur durch den unermüdlichen Einsatz des forensischen Psychiaters der Charité Berlin Dr. Hans Szewczyk konnte der Täter gefunden werden. Dabei musste sich Szewczyk gegen das dogmatische System der DDR durchsetzen, dessen Ideologie des Bürgers als „sozialistische Persönlichkeit“ die individuelle Erstellung eines Täterprofils mit Berücksichtigung der sozialen Herkunft des Täters geradezu verbot. Dementsprechend wurde die Mitarbeit von Szewczyk an den Fällen immer wieder unterbunden.
Die Autorin, die in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, geboren wurde, ist dem Thema vollkommen gewachsen. Sie verbindet in professioneller und spannender Weise Kriminalroman und Zeitgeschichte, indem sie die verstörenden Taten und kruden politischen Verwicklungen in lebendiger Sprache schildert. Die Autorin schafft es mit kleinen Details, die Atmosphäre der ehemaligen DDR aufleben und Figuren lebendig werden zu lassen, mit all den ideologischen, wissenschaftlichen und menschlichen Grenzen dieser Zeit. Die Geschichte der Täter- und Tatortanalysen in den 70ern in der DDR – und interessanter Weise einmal nicht in den USA mit Hochglanz-FBI-Ermittlern - wird ohne Effekthascherei erzählt und berührt gerade wegen ihrer unprätentiösen Art. Die Interaktion der Menschen in diesem Milieu verspricht interessant zu werden.
Deshalb sprechen wir unsere Empfehlung für diesen Kriminalroman aus."
Termine
Wann | Was | Wo |
---|---|---|
08. Dez. 24 17:00 Uhr |
KRIMITAG BERLIN Benefizlesung des SYNDIKATS im LKA1 |
Landeskriminalamt LKA1 10787 Berlin |