Constanze Scheib
Keine schöne Leich
Die gnä' Frau ermittelt
Kampa Verlag
Gnä' Frau [2]
September 2022ISBN 9783311300274

Constanze Scheib
Geboren 1979, absolvierte Constanze Scheib nach der Schule eine Schauspielausbildung und spielte in den folgenden Jahren auf diversen Bühnen in Österreich. Seit 2013 werden ihre Erzählungen auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht, 2014 erschien ihr Thriller „Lauras Parfum“. Zur Horror-Anthologie „Erntenacht“ steuerte sie mit „Luis“ eine Neuinterpretation der Sennentuntschi-Sage bei, für „100 Word Horrors 4“ das englische Drabble „Sanatorium“. Seit 2021 erscheinen ihre Gnä‘ Frau -Krimis im Kampa Verlag. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Wien.
Fragen der SYNDIKATS-Redaktion an Constanze Scheib
Warum bist du im SYNDIKAT?
Um mich mit Krimischreibenden auszutauschen, von ihnen zu lernen und mit ihnen Spaß zu haben, falls sich die Möglichkeit ergibt. Es ist immer schön mit Gleichgesinnten zusammenzukommen, die genau verstehen, welche Herausforderungen, aber auch welche Freude das Krimischreiben mit sich bringt.
Dein Sehnsuchtsort?
Schottland
Dein Lieblingsgetränk?
Whisky
Dein Lieblingsmord?
Der aus „Mord im Orientexpress“ von Agatha Christie
Wo findest du Ruhe?
Bei meinen Kindern
Wo Aufregung?
Auch bei meinen Kindern
1
Marode Laune
»Schaun’S halt, dass Sie keine wilden Sachen mit Ihrem Allerwertesten anstellen, gnä’ Frau.«
Maries Miene war betont ernst, doch Frau Ehrenstein konnte ein unterdrücktes Lachen in ihrer Stimme hören. Die gnä’ Frau bemühte sich, die Situation ebenfalls witzig zu finden. Eine Dreiviertelstunde verbrachten sie nun schon im Ankleidezimmer der Villa Ehrenstein. Es war unerträglich heiß. Durch die geöffnete Balkontür strömte keine frische Luft aus dem 13. Bezirk herein, nur der intensive Geruch der Fliederbüsche. Sie schwitzte, und ihr lief die Zeit davon.
»Glauben’S etwa, dass ich auf der Beerdigung einen Twist hinlegen werde?«
Sie hatte ebenfalls lustig klingen wollen, doch stattdessen hatte ihr Ton etwas Keifendes gehabt. Dieser Tag war wie verhext.
»Tut mir leid, Marie. Meine Laune ist heut so was von marod!«
Marie erhob sich aus der Hocke und lächelte Frau Ehrenstein im großen Spiegel zuversichtlich an. »Es wird scho werd’n, gnä’ Frau. Machen’S Ihnen keine Sorgen!«
Die Dame war froh, die junge Frau an ihrer Seite zu haben. Marie war nicht nur ein hervorragendes Dienstmädchen, sie war auch zu Frau Ehrensteins heimlicher Vertrauten geworden. Als sich die gnä’ Frau vor ein paar Monaten in den Kopf gesetzt hatte, einen Raubmörder dingfest zu machen, der sein Unwesen in ihrer Nachbarschaft trieb, hatte Marie sie tatkräftig unterstützt. Eine vermögende Dame aus dem Nobelviertel Hietzing konnte schlecht im Verbrechermilieu ermitteln, deshalb hatte ihr Dienstmädchen diese Aufgabe übernommen. Unter Einsatz ihres Lebens hatten die beiden den berüchtigten »Würger von Hietzing« überführen können. So eine Kleinigkeit, wie eine passende Garderobe für eine Beerdigung zu finden, sollte die Dame demnach nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Weit gefehlt!
Seit der Früh hatte sie verzweifelt ihre Schränke durchsucht. Hätte sie früher Bescheid gewusst, hätte sie sich noch ein schwarzes Ensemble kaufen können. Doch ihr war erst am Vortag mitgeteilt worden, dass sie heute auf diesem Begräbnis erscheinen sollte. Erscheinen musste. Früher wäre das kein Problem gewesen, denn selbstverständlich besaß sie eine Handvoll Röcke und Kleider, die dem Anlass angemessen waren. Doch unglücklicherweise passte sie mittlerweile in viele nicht mehr rein. Ihr war durchaus bewusst, dass sie in den vergangenen Monaten Gewicht zugelegt hatte. Bei dem seligen Gedanken an Tafelspitz, Krapfen und Schinkensemmeln bereute sie kein Gramm davon. Doch nun hatte ihre neue Kleidergröße sie in Bedrängnis gebracht, insbesondere weil sie bald abgeholt werden würde.
Schließlich hatte sie einen eleganten schwarzen Rock gefunden, den sie nur um ein Euzerl nicht schließen konnte. Marie hatte sich der desperaten Dame angenommen und sie kurz entschlossen mit ein paar Nadelstichen eingenäht. Die gnä’ Frau konnte sich jetzt zwar nicht mehr so gut bewegen, aber es hielt und sah annehmbar aus. Wenn ihr keiner so genau auf den Allerwertesten blickte ...