Preisträger Debütroman 2022
Preisträger des GLAUSER 2022 in der Kategorie "Debütroman":

Eberhard Michaely: 

Frau Helbing und der tote Fagottist. 

Kampa Verlag

Foto © Heike Schröder

Eberhard Michaely Frau Helbing CoverEberhard Michaely Frau Helbing Autorenfoto

 Begründung der Jury:

„Frau Helbing war gut gelaunt. Nicht wegen des Wetters. Heute würde es regnen. Das konnte sie unschwer an den dicken Wolken erkennen, die tief über den Dächern der Hansestadt hingen. Aber sie würde gleich nach dem Frühstück Herrn von Pohl das Fagott zurückgeben können.“

Man verrät nicht zu viel, wenn man sagt: Frau Helbing wird Herrn von Pohl sein Instrument nicht zurückgeben. Denn Herr von Pohl ist der im Titel erwähnte tote Fagottist. Wie es dazu kam, wer es war und worum es hier eigentlich geht, das erzählt Eberhard Michaely in seinem Hamburger Krimidebüt wunderbar lakonisch, sympathisch und weitgehend unblutig – auch wenn die „Waffen“ der Frau Helbing, dieser pensionierten Fleischereifachverkäuferin und Metzgerswitwe ohne Vornamen, so gefährlich klingende Bezeichnungen wie „Ausbeinmesser“, „Schweinespalter“ oder „Schlachtmesser“ tragen.

Frau Helbing liest gerne Krimis, ist neugierig und wagt auch mal etwas: zum Beispiel ins Konzert gehen, obwohl sie das noch nie gemacht hat. Zum Beispiel am hellichten Tag Caffè Macchiato mit Croissant bestellen, einfach so. Zum Beispiel einen Todesfall untersuchen, den alle für die tragische Folge eines allergischen Schocks halten. Alle eben außer Frau Helbing, die hier böse Absicht, ja gar Mord wittert. So klärt sie das plötzliche Ableben des über ihr wohnenden Fagottisten auf, denn immerhin ist das ja auch ihre „Hood“, für die sie sich ein bisschen verantwortlich fühlt, das hanseatische Grindel-Viertel, in diesem im besten Sinne betulichen und unaufgeregten Hamburg-Krimi. Und wenn ihr das alles zu gewagt erscheint, sagt sie sich: „Heute lass ich mal fünfe gerade sein.“

Was die Lektüre außerdem so vergnüglich macht: die Sprache ist nie gewollt witzig, krampfhaft auf Pointe geschrieben oder anbiedernd. Wenn sich Frau Helbing über die seltsamen Dinge des alltäglichen Lebens wundert, zum Beispiel, dass junge Frauen heutzutage „Shoppen“ als Hobby angeben, tut sie das eben genauso, wie auch wir das tun würden. Dazu gibt es wunderbare Nebenfiguren wie eine cholerische Kommissarin namens Schneider und einen klugen Schneider namens Herr Aydin.

Dabei ist Frau Helbing keine Miss Marple, und Mord wird auch vielleicht nie ihr Hobby werden, aber es ist schön zu wissen, dass sie weiter macht, denn inzwischen ist bereits der dritte Fall für die passionierte Krimileserin erschienen. 
Frau Helbing ist eine von uns – eine, bei der man gleich sagt: die kenn ich doch! Die trifft man beim „Einholen“ bei Budni (für Nicht-Hamburger: legendäre hanseatische Drogeriemarktkette in Familienhand), auf dem Ise-Markt oder im „Fünfer“-Bus, Hoheluftchaussee.  Und Hamburger wissen auch: bei Magenproblemen, nach schwerem Essen - oder Mord - hilft immer ein „Helbing“, der bekömmliche, feine Kümmelschnaps, stolz gebrannt seit 1836, ganze 35 Prozent stark, ehrlich und klar. Wie Frau Helbing.

 


Außerdem nominiert waren:

  • Marcel Häusler: Kant und der sechste Winter. Heyne Verlag
  • Sarah Nisi: Ich will dir nah sein. Verlag btb
  • Johann Palinkas: Coup. Benevento Verlag
  • Eric Sander: Die letzte Wahl. Luebbe Verlag

 

Für den GLAUSER-Preis, den Autorenpreis deutsche Kriminalliteratur 2022, konnten bis zum 30. November 2021 deutschsprachige Kriminalromane von Verlagen eingereicht werden, deren Erscheinungszeitraum zwischen Dezember 2020 und November 2021 lag (Originalausgaben).

Die Jury war:

Ina CoelenSabine WeissCord BuchVolker BleeckErwin Kohl und Marc-Oliver Bischoff (Jury-Organisation)

 (Die Aussschreibungen für das Jahr 2023 finden Sie hier.)