Polizei Alltag Schmitt Kilian Folge 4DIE NACKTE UND DIE BULLEN. IM HOTEL?

Man(n) kann doch nicht immer nur wegschauen (?)

Rapporteintrag 1. Polizeirevier, Frühdienst

8:30 Uhr Die Rezeption des Rhein-Hotels teilt mit, ein weiblicher Gast laufe ständig nackt durch das Hotel und habe sich soeben im Speisesaal ein Frühstück bestellt. Trotz mehrfacher Ansprache durch das Servicepersonal sei die Dame nicht bereit, sich „dem Anlass entsprechend“ zu bekleiden. Auch die Aufforderung des Geschäftsführers, ihre Rechnung zu zahlen und das Haus zu verlassen, würde die Nackte ignorieren und zum Ärgernis der anderen Gäste weiterhin pudelnackt frühstücken.

1968 3 Josef Dennig Frau Abschied Münz Mosel 10/1: POM Kolberg, POW Müller

„Beim Betreten des Hotels fällt uns ein großes Plakat im Eingangsbereich auf. Unter dem Motto "FASS MICH AN" wird ein Seminar angeboten. Als Kolberg und ich den Speisesaal betreten, erkennen wir sofort, dass die „männlichen Frühstücker“ offensichtlich den Anblick der nackten Dame genießen, während deren weibliche Begleitungen mit bösen Blicken auf den Einzeltisch genau in der Mitte des Speisesaals starren. Alle Frühstücksgäste blicken auf uns, lediglich die Nackte löffelt vollkommen unbeeindruckt weiter in ihrem Frühstücksei. Sie sitzt mit dem Rücken zum Eingang und hat uns noch nicht bemerkt. »Meinst du die gehört zu dem Seminar und möchte, dass ich sie anfasse?«, flüstert Kolberg. Ich schüttele verneinend den Kopf und erwidere »Wünsche ihr besser „einen schönen guten Morgen“ bevor du mit deinen waffenscheinpflichtigen Händen ihren Körper kaputt machst, für den Fall, dass die Schöne den Speisesaal nicht freiwillig verlässt. Wir schleichen uns auf leisen Sohlen an die Nackte heran. Kolberg wünscht der Frau, die lediglich weiße Cowboy-Stiefel und ein Amulett trägt, „einen schönen guten Morgen“. Unser plötzliches Auftreten erschreckt die Nackte nicht. Sie blickt uns freundlich lächelnd an, als hätte Kolberg sie nach der Uhrzeit gefragt, trinkt einen Schluck aus der Kaffeetasse und antwortet »Den wünsche ich Ihnen auch, meine Herren!« Wir lächeln zurück und starren sie an, denn die Frau präsentiert sich so wie irgendein Gott sie erschaffen hat und dieser Gott hatte sich viel Mühe bei der Formung eines wundervollen Körpers gegeben. So wie wir die Nackte anstarren, hätte jede andere Frau geantwortet „Ich hab` auch Augen, du Idiot!“ Kolberg bedauert, dass sich die Dame aufgrund der polizeilichen Anordnung freiwillig ankleidet und er sie nicht „unter Anwendung einfacher körperlicher Gewalt“ aus dem Speisesaal entfernen darf.

 1968 2 Josef Dennig Menschenmenge

 Fotograf: Josef Dennig

erl. 1968 1 Josef Dennig Frau im BRunnen008

 

Im Rapport stand nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen:

…die Polizeibeamten halfen Frau D. beim Anziehen und begleiteten sie aus dem Hotel. Da eine Eigengefährdung nicht erkennbar war und sie auch für andere nicht gefährdete, lagen keine Voraussetzungen für eine Zwangseinweisung in die Landesnervenklinik vor. Zudem wurde von den eingesetzten Beamten strafmildernd bewertet, dass Frau D. unter ihr nacktes Hinterteil ein selbstgestrickten Sitzkissen gelegt hatte. 

Erst einige Tage später erinnerte ich mich, dass ich der Frau schon einmal „angezogen“ begegnet war. Sie hatte auf dem Brunnen am Zentralplatz getanzt und nach Meinung von mehreren erbosten Anrufern war durch deren „obszöne Bewegungen“ der Tatbestand „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ erfüllt. Wir mussten sie zur Dienststelle sistieren und nach Feststellung ihrer Personalien wurde sie entlassen. Beim Abschied winkte sie uns freundlich zu.