Roger M. Fiedler

Begann seine Karriere als Schriftsteller in Rio de Janeiro. Der erste Vollkontakt mit der 'dritten Welt' änderte auch seine Sichtweise auf das heimische München. Mehrere seiner Kriminalromane spielten in der bayerischen Hauptstadt 'mit Herz'. Fiedler studierte und arbeitete dort - unter anderem als Physiker und S-Bahn-Schaffner.

Um die Jahrtausendwende produzierte Fiedler gemeinschaftlich mit der Münchner Agentur 'kernzeit' die erste Literaturplattform im Internet zum regelmäßigen email-Versand eines Fortsetzungskrimis. Der Erfolg der 'Krimimails' war überwältigend. In gemeinsamer Autorenschaft mit dem Ruhrgebietsautor Jörg Juretzka entstand der erste in mails ausgetauschte Kriminalroman 'enzi@n'.

2001 hielt sich Fiedler in Sevilla auf und verdingte sich dort als Reiseleiter für Andalusien. Es reifte der Entwurf für eine später bei Carlsen-Inprint umgesetzte Reihe von Kurzromanen mit Schauplatz Málaga, Serranía, Granada.

Nach seiner Rückkehr ins deutsche Mittelgebirge verfasste Fiedler den ersten Antiregionalkrimi 'Pilzekrieg' und half, das Festival des deutschsprachlichen Kriminalromans, die 'Criminale' erfolgreich aufs Land zu exportieren. Hier entstanden auch die aktuellen Werke.

Fiedler erhielt für seine Arbeit zahlreiche Auszeichnungen und Preise, unter anderem den deutschen Krimipreis (3.Platz), den Marlowe, das blutige Messer, ein Arbeitsstipendium des deutschen Literaturfonds, Bertelsmann-Stiftung und Literaturhaus München, den black-and-grey-Socks-Award, ein Nominee zum Kurzgeschichten-Glauser, dem großen Autorenpreis des Syndikat.

Ich stehe vor der Buchhandlung und spüre vor Schock Eisklumpen im Hintern. Jemand hat unter meinem Namen meinen letzten Szeneroman plagiiert, unter meinem Wunschtitel herausgebracht und verkloppt jetzt die Copies dutzendweise gleich von der Palette. WIR KOMMEN IN FRIEDEN hielt ich für übertrieben, wenngleich sprechende Titel mal wieder in Mode sind. ALLES WIRD GUT, ist da schon glatter. Und kurze Autorennamen: N.N. Der Jemand bin ich. Ganz vergessen, dass ich dafür mal Druckfahnen korrigiert hatte, Cover besprochen, Lektorate gestemmt. Kann mich an rein gar nichts mehr erinnern. Das war sicher vor meiner Zeit … als Tramp. Mein Buch liegt da unschuldig in Stapeln zu jeweils hundert und verdunstet unter der Sonne. Jeder zweite Kunde reißt sich schon auf dem Weg nach drinnen eins der Briketts vom Stoß und verschwindet an der Kasse, ohne auch nur auf den Einband zu blicken. Im nächsten Leben hätte ich mir den Erfolg durchaus zugetraut oder in einem parallelen Universum. War das schon mein nächstes Leben, oder hatte ich es mal wieder glatt verpasst? Exakt das ist es, was ich sagen will, exakt das! Ich starre in mein eigenes Leben wie ein Zuschauer in einen Karton, in dem die Mäuse tanzen. Und ich frage mich, was tun die da? Und was ich hier? Und warum fällt das keinem auf? Meine Stirn klebt am Schaufenster fest und auf der Rückseite eins meiner Fotos. Die, zugegeben, wenig Ähnlichkeit mit mir haben, selbst wenn man sich die Haare weg und einen verschossenen Bart aus abgeflämmtem Schamhaar um die Gesichtskanten hinzudenkt. Best-Seller. Kacke. Ein Film, für den ich das Drehbuch nicht zu schreiben wage. Was ist nur mit mir in meiner Abwesenheit passiert? Oder ist das hier ein echter Kafka? Haben sie Safi Raid möglicherweise bei einer seiner Sonderbehandlungen einen schädlichen Mix injiziert, der ihn denken lässt, er wäre ich und stünde jetzt hier und gaffte eines seiner Fotos an, das ihm nicht im geringsten ähnlich ist? Ich wage das Experiment und stapfe entschlossen in die Buchhandlung, baue mich an der Kasse auf und weise mit dem Daumen hinter mich: »ich bin das!« Hinter mir steht nicht die Palette, statt dessen eine Dame, deren Mundwinkel in einem faltigen Areal neben ihrem Kinn verschwinden wie Gletscherspalten im Eis. Sie braucht nicht zu erwähnen, dass sie ungehalten ist. »Ich war vor Ihnen«, sagt sie mit tödlicher Stimme. Dann wartet sie und endet mit dem wirkmächtigsten Schimpfwort, das ihr im Leben über die Lippen kam: »Junger Mann!« Es war mein erster Auftritt als Shootingstar der Literaturbranche, und nur der Trost über das breite Altersspektrum meiner unerwarteten Leserschaft half mir über die Erkenntnis hinweg, dass meine Leser meine Bücher mochten, mich aber nicht. So what? Ich möchte T.C Boyle, Tom Wolfe, Kerouac oder Irving auch nicht außerhalb ihrer Bücher begegnen.

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